|
|
|
Interview, welches Ende Februar 2011
für's Big Five-zine geführt wurde
(Ausgabe Apr/Mai2011,
Seiten54+55)
Moin Cotzraiz,
Ich hoffe Eure neue Scheibe ist nicht wirklich eine „Fehlpressung“ geworden?
Ne, hat alles bestens geklappt. Mit dem neuen Album sind wir sehr zufrieden.
Aber lang genug hat es ja gedauert mit der dritten Scheibe. Euer letztes Album „1000 Jahre Cotzraiz“ kam ja 2005 zum Bandjubiläum heraus. Woran lags?
Irgendwie sind wir immer etwas spät dran (lacht). Die "1000 Jahre Cotzraiz" kam auch mit einem Jahr Verspätung und die "Heil Cotzraiz" war eigentlich auch schon ein paar Jährchen früher geplant ... Und, wie sollte es anders sein, lief es bei der "Fehlpressung" nicht anders. Die sollte sich schon 2008 auf dem Plattenteller drehen (oder auch im CD-Gerät). Doch auch da sollte uns wieder einiges dazwischen kommen. Freund und Kollege Willi Wucher, der bereits die beiden andern Platten rausbrachte, hatte im April 2008 ein paar gesundheitliche Probleme und musste somit leider seine Labelarbeit einstellen. Die langjährige Freundschaft zwischen uns und Pöbel&Gesocks besteht natürlich noch immer. So ist, neben uns selber, ein Großteil von Pöbel&Gesocks plus Anhang für den Chor auf der "Fehlpressung" verantwortlich, und dat haben se wie immer gut gemacht!
Aber zurück zu 2008. Als bekannt wurde, dass unser neues Album nicht wie geplant bei Scumfuck erscheinen würde, meldete sich unter anderem Sunny Bastards bei uns. Und da auch Christian und Sunny gute Freunde waren und sind, und uns auch ihre Labelarbeit mehr als zusagte, war die Sache klar. Nach noch ein paar Verzögerungen, durch Besetzungswechsel etc, sollte es dann aber soweit sein. Im August 2010 waren die Aufnahmen dann endlich komplett eingespielt und mittlerweile sind sie ja auch endlich veröffentlicht. Besser etwas später als nie und nimmer.
Anscheinend habt ihr fast zu lange gewartet, denn in der Zwischenzeit gab es ausgerechnet auch im Punkrock-Sektor eine Band namens Kotzreiz aus Berlin, welche letztes Jahr ein Album herausbrachten...Nicht gerade innovativ so einen Namen zu wählen, oder? Stört Euch das oder wie geht ihr damit um?
Als man das erste mal drauf hingewiesen wurde, dachte man sich schon so "Wat is dat denn wida fürn Quatsch", aber nun gut. Sich darüber groß zu empören wäre ja auch wiederum Quatsch. Wir kennen die neue, andere Band nicht persönlich und ob die einfach nicht wussten, dass es da natürlich schon eine Band mit gleichem Wortlaut gibt, entzieht sich auch meiner Kentniss. Etwas ärgerlicher wurds dann erst, als wir Beschwerden von Leuten bekamen, die das Ganze auf Flyern verwechselt hatten und dann statt uns halt ne komplett andere Band auf der Bühne vorfanden.
Also buchstabieren wir alle gemeinsam nochmal die richtige Schreibweise:
C-O-T-Z-R-A-I-Z.
Und wer sich nicht sicher ist, schaut einfach unter www.COTZRAIZ.de nach und findet dort immer alle aktuellen Cotzert-Termine und sonstiges. Ist natürlich schwierig, wenn zum Beispiel in Radiosendungen Termine von Cotzraiz durchgegeben werden; da wird der Bandname ja nicht noch zusätzlich buchstabiert... Also heist es wohl erstmal "aufgepasst und nicht verwirren lassen".
Naja, im Internetz gabs dann ja auch überall die Scherze, was wohl als nächstes kommt: Dritte Wal ohne H, Toksoplasma mit ks, Razia mit nur einem Z, dafür Wizzo mit doppel-Z, Pöbel&Gesox mit X,... Wer weiß...
Dann habt ihr ja jetzt die Gelegenheit unsere Leser in ein paar Sätzen zu überzeugen, warum ihr nicht nur wegen der Gnade der frühen (Band)-Geburt die wahren Cotzrocker seit….also los:
Na, da brauch man wohl nicht viel zu sagen, oder? Cotzrock bleibt Cotrzrock und Blaukraut bleibt Blaukraut, oder wie heist das noch... Egal, Cotzraiz wird übrigens nächstes Jahr 18 und somit volljährig. Somit ersparen wir uns und allen andern an dieser Stelle Sandkastenschlachten mit Förmchen und Schüppchen. Sowas können andere sowieso besser.
Ich kannte bislang nur „Deutschrock“…Aber was zur Hölle macht denn „Cotzrock“ in euren Augen aus und wie kommt mf so einen Begriff?
Mit Deutschrock kenn ich mich nicht aus... Dafür aber mit Cotzrock: Cotzrock ist eigendlich auch nur eine Spielweise des Punk; ohne viele Regeln, ohne Leine und Maulkorb und eher schlecht einsortierbar. Wie Punk ja auch mal war...
Wir spielen halt seit je her Cotzrock, und das ist auch gut so. Ach, auf die Frage hin, was Cotzrock ist, gibt es eh nur eine Antwort: Cotzrock ist gut!
Auf Fehlpressung habt ihr ja ein wahres Sammelsurium an Themen und Instrumenten vereinigt. Erzähl mal….
Auf jeden Text und auf jedes Instrument genaustens einzeln einzugehen, würde wohl den Rahmen hier sprengen. Kratzen wir mal etwas an der Oberfläche: Textlich geht es um Zusammenhalt, Lebenswege, Verweigerung, Punk, Konsum, Atomkrieg und so weiter und so fort. An Instrumenten gibt es, wie immer, ganz solide, ein kräftiges Fundament aus Bass, Schlagzeug und Gitarre zu hören. Dazu kommen dann gelegendlich Instrumente zum Vorschein, welche man wohl nicht unbedingt erwarten würde.
Da hätten wir zum Beispiel bei "Wir sagen nein" den Einsatz einer etwas verbeulten Blechflöte, welche 1995 in Hannover gefunden wurde.
Oder Waschbrett, Kochtöpfe und Mundharmonika, die bei "Bissig" unter anderem den Hintergrund vervollständigen.
Bei "Nicht untergehen" gibt es durchgehend, und hier sogar vordergründig, ein Akkordeon zu hören. Dazu kommen dann noch Geige und Melodica, die hier und da Akzente setzten.
Für das Intro von "KaufenKaufen" wurde, neben dezentem Klaviereinsatz, mit Einkaufswagen hantiert.
Bei "Weitergehen" hat das Klavier dann ein eigenes hüsches Solo. Luftballon, Horn, Flöte, Megaphon und vieles mehr wirken dann noch unterstützend für den restlichen Krach.
Bei "Mag ich nicht" hören wir eine kaputte Deko-Mini-Gitarre im Solo und, auch wenns weh tat, wurden einem alten Plattenspieler sehr unsachgemäß ein paar Töne entlockt. Auch zu hören bei "Aus".
"Der Einsatz" wurden ausschliesslich auf Bierflaschen gespielt.
Dann gibt es noch bei "Ungelebtes Glück" ein kindliches Solo aus Tasten-Glockenspiel und Ukulele
und wat weis ich noch alles... Es gibt also ne Menge zu entdecken.
Und natürlich alles von der Band selber eingespielt. Wenn auch nicht immer wirklich fachgemäß. Aber muss ja auch nicht. Wir machen ja schließlich Punk beziehungsweise Cotzrock (lacht).
Songs wie „Atomkrieg jetzt“, „Nazis, Aids und Heroin mag ich nicht.“ Was wollt ihr uns damit sagen?
Nazis, Aids und Heroin, und noch vieles, vieles mehr, mögen wir halt nicht. Und wenn man sich manchal so umschaut im Lande und in der Welt, dann kann es schon vorkommen, das man sich auch mal denkt "Atomkrieg jetzt!". OK, zugegeben; sehr platter und endgültiger Lösungsvorschlag, aber manchmal schleicht er sich dann doch kurzzeitig ins Hirn. Und wenn es soweit ist, empfehlen wir Plakate, Schilder und Transparente mit der Aufschrift "Atomkrieg jetzt!" zu basteln, sich mit einigen anderen in der Innenstadt zu treffen und eine Spontandemonstration abzuhalten. Die Sprechchöre "Atomkrieg jetzt!! Atomkrieg jetzt!!" werden ja vielleicht vom einkaufenden Volk mit Jubel und Beifall belohnt! ...vielleicht aber auch nicht, haha.
Aber eventuell nehmen wir das Ganze ja demnächst mal selber in die Hand und basteln uns selber ein paar Bomben. Auch wenn dann drastische Strafen drohen; Denn wer eine nukleare Explosion verursacht, wird laut § 328 StGB mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Uiuiui...
Anscheinend gehört für Euch Provokation zum Punk dazu, wenn ich an Slogans wie „Heil Cotzraiz“ denke oder das Skandal-Plattencover Eures Debüt Albums. Ist Punk zu handzahm geworden, wollt ihr anecken oder warum tut ihr das?
Punk ist wohl teilweise tatsächlich leider etwas handzahm. Es gibt aber zum Glück noch immer genügend Bands usw. die es sich nicht nehmen lassen über die Strenge zu schlagen, aus dem Rahmen zu fallen und dabei auch gerne ordentlich anzuecken. Provokative Rundumschläge sind ja schließlich auch öfters mal angebracht. Oder gelegentlich auch einfach nur lustig; Leute ärgern nicht zu knapp...
Wir spielen ja schließlich nicht Punk, um irgendwie allen zu gefallen. Und wenn uns die Leute dann hassen und sich die Mäuler zerreissen dann ist das auch in Ordnung so.
Weichgespülte Rockmusik im Punkkostüm mit langweiligen Texten brauchen wir nicht.
Ihr habt immer wieder Lieder über Unity zwischen Punks und Skinheads. Warum gehören diese Subkulturen denn Eurer Meinung nach vereint? Da gibt’s ja auch teils gegenteilige Ansichten und in der Vergangenheit war dies nicht immer so…
In unserem eigenen Umfeld ist das seit jeher Gang und Gebe und funktioniert bestens. Und warum auch nicht? Schließlich passts. Punks und Skins und sonstige Gestalten kommen aus eigener Erfahrung sehr gut zusammen klar. Egal ob Glatze, Iro, Flat, Stacheln, etc... Die ZK lief letztens mal wieder im Proberaum; Da kommt mir grad "Peter, Paul und Harry" wieder inn Kopf. Schönes Lied. Wäre doch echt zu schade, wenn man sich untereinander ständig nur sinnlos aufs Maul haun würde...
Dass es in jeder der Szenen natürlich auch Idioten gibt ist nicht zu leugnen, ist aber auch nochmal ne ganz andere Sache...
Ein Gruß an all die guten, aufrechten Querköpfe aus unserer Ecke! ...und natürlich auch weltweit.
“Tradition schlägt jede Mode, schlägt jeden Trend“ ist ein weiterer Song auf „Fehlpressung“. Wenn „Stomper98“ davon singen, geht das auf die Wurzeln der Skinheads mit dem „Spirit of 69“ zurück. Aber was ist denn diese „Tradition“ Eurer Meinung nach für Punk?
Ja, Stomper 98; gute Band! In dem erwähnten Song von uns, "Traditionell anders", geht es quasi um eine "traditionelle Anti-Haltung"; Nicht mit der Masse zu gehen, nicht mit dem Strom zu schwimmen, sein eigenes Ding zu machen... Wies im Text heisst: "...den eigenen Weg zu gehen ist unsere Tradition...". Somit ist der Traditions-Begriff hier vielleicht auf den ersten Blick etwas paradox verwendet, passt aber dennoch. Punk ist ja schließlich "...traditionell auf anderen Wegen...". So solls sein
„Fehlpressung“ erinnert mich irgendwie an legendäre Kult-Alben von Bands wie Boskops, Toxoplasma, Sluts oder Canalterror….würdet ihr mir da zustimmen?
Na, gerne doch. Deutscher Punk der frühen 80er war sicherlich immer einer der wichtigsten Einflüsse und wird hier natürlich auch heut noch oft und gern gehört. In wie weit man sich mit alten Klassikern solchen Kalibers messen kann, wage ich nicht zu beurteilen.
Ein einfaches Beispiel hierzu sind wohl heutige 08/15-Studioaufnahmen an sich. Viele Bands von heute hören sich von der Abmischung her eher ähnlich an. Schade eigentlich. Wenn ich dagegen zum Beispiel die erste Toxoplasma, die erste Razzia, die erste OHL, die erste Daily Terror oder auch die erste Fehlfarben auflege, dann hat jede Scheibe für sich, schon allein vom Sound her, seinen eigenen Charme.
Naja... Zurück zur "Fehlpressung": Zu angepasst-sauber sollte die natürlich auf keinen Fall werden. Die Arbeit mit Ton-Mann Christian im Tonstudio in Viersen verlief dann mehr als positiv. Nicht nur das wir, ganz unkonventionell, irrwitzig viele Spuren mit all den verwendeten Instrumenten und Chören belegen konnten; Die komplette Endabmischung durften wir allein in Eigenregie durchziehen, was uns bei all den Kleinigkeiten und Feinheiten sehr gut passte. Und nach einigen Nachmittagen, Abenden und Nächten hörte sich das Ganze dann so an, wie es sich jetzt anhöhrt. Im Endeffekt nicht wirklich vergleichbar mit anderen Alben, aber man will ja auch nichts kopieren oder nachahmen. Lieber was eigenes; Chaotisch, selbstbestimmt, nach vorn und mit liebe zum Detail.
“Chaos und Anarchie” in Noten also?
Righty Right. Keine Einschrenkungen, keine Grenzen, kein Tabu.
Sowohl textlich als auch musikalisch gilt noch immer: Wir machen das, worauf wir Bock haben. Egal wem das nun passt oder nicht.
Abschließende Worte, Ausblick oder was wollt ihr nochl loswerden?
Bleibt noch anzumerken, dass auch das neue Cotzraiz-Album natürlich grundsätzlich laut abgespielt werden sollte!
Dank fürs Interesse
und Prost!
( www.fehlpressung.de.tl )
|
|
|
|
|
|